Moornaturen und ihre Nachfolger
Das Kehdinger Moor besteht heute aus ökologischen Inseln in der Landschaft, in die sich viele Arten, nicht nur moortypische, zurückziehen, Neben Restmoorflächen und den in der Wiedervernässung befindlichen Arealen gibt es eine Vielzahl von Lebensräumen wie feuchtes Grünland, Torfabbaugebiete, offene Wasserflächen, Wiedervernässungsflächen mit Birkenaufwuchs, Torfmoosanwuchs, Binsen- und Wollgrasflächen, steppenartige Pfeifengrasflächen, Heideareale sowie Schilf- und Seggenröhrichte.
Für Naturerlebnisse also eine ideale Landschaft.
Typische Arten des Hochmoores
Torfmoose – unscheinbar, aber die wichtigsten Akteure im Hochmoor
Mindestens sechs verschiedene Torfmoosarten kommen in der Junclaus‘ Heide vor. Einige von ihnen sind auch zur Torfbildung befähigt, wie sich auf Wiedervernässungsflächen inzwischen zeigt. Für ein wachsendes Hochmoor reichen die vereinzelten Bestände aber noch nicht aus.
Torfmoose besitzen eine enorme ökologische Durchsetzungskraft. Ohne Wurzeln wachsen sie auf sumpfigen nährstoffarmen Böden. Dabei binden sie die knappen Nährstoffe an ihre Zellwand und geben dafür Wasserstoffionen – also Säureteilchen – in ihren Lebensraum ab. Diesen Mechanismus beherrschen sie so perfekt, dass sich in intakten Hochmooren pH-Werte von 3 finden, vergleichbar mit Zitronensaft. In diesem extremen Verhältnissen werden die meisten Pflanzen abgetötet. Nur hoch spezialisierte Pflanzen und Tiere können in diesem Lebensraum existieren.
Sonnentau und Wollgras – Fleischfresser und Geizhals
Pflanzen haben verschiedene Mechanismen entwickelt, mit dem extremen Nährstoffmangel im Hochmoor fertig zu werden. Der Sonnentau lockt durch scheinbare Zuckersafttröpfchen auf den Tentakeln seiner Blätter kleine Fliegen an. Bei den funkelnden Tröpfchen handelt es sich jedoch um einen Klebstoff, der zusätzlich Verdauungssekrete enthält. Landet eine unvorsichtige Fliege auf dem Sonnentau, bleibt sie kleben.
Langsam bewegen sich benachbarte Tentakel auf die Fliege zu und geben weitere Verdauungssekrete ab. Ist das Insekt soweit verdaut, dass Nähstoffe als Mineralien zur Verfügung stehen, werden diese über die Blätter aufgenommen und dem Stoffwechsel der Pflanze zugeführt. Die Fliege dient dem Sonnentau also als Dünger. Die energiereichen organischen Verbindungen, auf die es Fleischfresser normalerweise abgesehen haben, werden vom Sonnentau nicht verwertet.
Mit extremem Geiz ist das Scheidige Wollgras in der Lage, im Hochmoor zu überleben. Normalerweise gibt jede Pflanze über ihre Wurzeln einen Teil der aufgenommenen Mineralstoffe wieder ab. Nicht so das Wollgras.Einmal von den Wurzeln aufgenommene Nährstoffe bleiben dem Pflanzenstoffwechsel völlig erhalten.
Ausgestorbene und Heimkehrer
Tiere der Hochmoore sind extreme Spezialisten. Die Larven der Hochmoor-Mosaikjungfer sind an den extremen Säuregrad und den Nahrungs- und Sauerstoffmangel im Moorwasser angepasst.
Der Preis für diese Anpassung ist eine sehr lange Entwicklungszeit der Libellenlarven. Bis zu drei Jahren kann es dauern, bis nach der letzten Häutung die erwachse Hochmoor-Mosaikjungfer für einige Wochen fliegt.
Auf Grund dieser langen Entwicklungszeit wurde die Hochmoor-Mosaikjungfer in den letzten Jahrzehnten von Generalisten wie der Torfmosaikjungfer fast ganz verdrängt. Die Generalisten profitieren von den milderen Lebensbedingungen in den vom Menschen beeinflussten Mooren. Früher kam die Torfmosaikjungfer nur in den Moorrandbereichen vor.
Das Birkwild gilt als Wappentier der weiten offenen Moorlandschaften, wie sie heute noch in Skandinavien oder Osteuropa zu finden sind. Über 500 Hektar zusammenhängende, extensiv genutzte Moorlandschaft benötigt ein Birkwildpaar als Lebensraum. Die wenige Hektar großen Restmoorstücke in Kehdingen reichen als Lebensraum für das Birkwild bei weitem nicht aus. Die letzten beeindruckenden Hühnervögel im Kehdinger Moor stammen aus den frühen 70er Jahren. Auch angesichts großflächiger Renaturierungsmaßnahmen ist es sehr kaum zu erwarten, dass sich Birkwild in unserem Moor wieder ansiedelt. Zurückgekehrt sind in den vergangenen Jahren dafür Seeadler und Kraniche.
Auch Pflanzen im Kehdinger Moor sind ausgestorben, darunter der Langblättrige Sonnentau (Drosera anglica), die Zwergbirke (Betula nana) und die Moltebeere (Rubus chamaemorus). Sehr selten sind inzwischen der Sprossende Bärlapp (Lycopodium annotinum, der als Zauberpflanze galt, und der Beinbrech (= Moorlilie, Narthecium ossifragum), die an sumpfigen Stellen wächst, an denen das Vieh zu Schaden kam.
Landschaft im Wandel – die Tierwelt folgt
Viele Vogelarten benötigen auf ihrem Zug Stationen, in denen sie auftanken und ruhen können. Das Aschhorner Moor mit seiner großen Wasserflächen ist solch ein Ort, an dem sich spektakulär im Herbst wie Großvögel Kranich, Bläss-, Grau-, Kanadagans einfinden. Die Vernässungsflächen des Elbniederungsmoores sind somit Teil der Drehscheibe für den Vogelzug von internationaler Bedeutung. Es nützen den Vögeln die besten Lebensbedingungen in den nordischen Brutgebieten nichts, wenn ihnen nicht ebenso gute Überwinterungsbedingungen geboten werden. Dieser Verantwortung müssen wir mit dem Erhalt und der Wiederherrichtung des Kehdinger Elbniederungsmoores gerecht werden.
Herausragendes Ereignis im Frühjahr ist der Einzug der Lachmöwe, die die große Wasserfläche in Aschhorn als Bruthabitat annimmt. Mit schwankender Anzahl an Brutpaaren über die Jahre (bis über Tausend) ist sie unüberseh- und -hörbar. Von März bis Juli zeigt sie hier ihren Flächenanspruch. Ein ständiger Flugverkehr zwischen Brutkolonie im Moor und Nahrungsflächen in der landwirtschaftlichen Umgebung findet statt, um den Nachwuchs aufzuziehen. Ereignisse von Massenentwicklungen der Vierfleck-Libelle, Mücken und wohl auch anderer Insekten, nimmt sie für den lokalen Nahrungserwerb wahr. Neben der Lachmöwe brüten dann noch etwa 50 Paare Sturmmöwen in und an der Kolonie, weiterhin nutzen Schwarzhalstaucher, Stock-, Krick- und Tafel-, Schnatter- und Löffelente sowie Trauerseeschwalbe, Schwarzhalstaucher und Blässhuhn den Schutz der Kolonie.
An dem reichhaltigen Nahrungsangebot in der Kolonie bedienen sich Rohrweihe, Seeadler und Silbermöwe – allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Eine artenreiche Kleinvogelwelt nutzt die Vielfalt an Strukturen der Vernässungsflächen.
Es lohnt sich, ein Fernglas mit auf die Moorkieker-Tour zu entnehmen: Schwarzkehlchen, Sumpfohreule und Baumfalke sind mit etwas Glück zu sehen, während Uhu und Ziegenmelker sich meist verbergen. Rund 100 Vogelarten gibt es zu entdecken.
Das Gebiet des Elbniederungsmoores ist somit Lebensraum hoch- und niedermoortypischer Lebensgemeinschaften. Viele bestandsgefährdete Arten wie Sonnentau, Wollgras, und Torfmoose sowie Tiere wie Laufkäfer, Mooreidechse und Kreuzotter, sind auf diesen Lebensraum ganzjährig angewiesen.
- Moor- und Heidearten in Jungclaus‘ Heide
- Möwenkolonie
- Kranichrastplatz
- Laufkäfer auf Moordämmen
- Überflieger – von Seeadler bis Blässgans
Bitte beachten Sie:
Beobachtungen in Natur und Landschaft sind von Jahreszeit, Wetter und anderen Faktoren abhängig. Eine Garantie, hier genannte Arten bei einem Ausflug zu sehen, besteht natürlicherweise nicht!